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25. Von den Genußmitteln. 26. Vom Kochen.
zu nennen: Essig, Senf, die verschiedenen Suppengewürze, Kümmel,
Fenchel, Zitrone. Die übrigen sind ziemlich entbehrlich.
Eine gute Nahrung kann und muß in der verschiedensten Weise zu-
sammengesetzt werden. Ein und dasselbe Gericht längere Zeit ausschließlich
genossen, wird schließlich zum Ekel. Auch können von gewissen Nahrungs-
stoffen nur beschränkte Mengen verdaut werden, z. B. von Stärke höchstens
500 g. Dies gilt daher auch von den stürkereichen pflanzlichen Nahrungs-
mitteln, die sonst wohl eine genügende Nahrung bieten könnten, z. B.
von Hülsenfrüchten, vom Getreide. Um die nötige Abwechslung zu
schaffen, sollen tierische Nahrungsmittel mit benützt werden.
25. Won den Henußmitlekn.
Der Mensch nimmt außer der eigentlichen Nahrung noch Stoffe zu
sich, deren Nährstoffgehalt im Verhältnis zum Preise nicht inbetracht
kommt: Kaffee, Thee, Wein, Bier. Man bezeichnet diese Stoffe als
Genuß mittel. Sie können dem Körper nicht wie die Nährstoffe
Spannkraft liefern; aber sie erleichtern, in mäßiger Menge genossen,
die Überführung der Spannkräfte in Arbeit. Wenn wir den Menschen
mit einer Maschine vergleichen, so entsprechen die Nährstoffe dem Brenn-
material, welches die Spannkraft des Dampfes und dadurch die Be-
wegung erzeugt, die Genußmittel dem Öl, welches die Beweglichkeit der
Maschinenteile vermehrt, gleich dem Öl nicht zu entbehren, aber nicht
imstande, die Nährstoffe zu ersetzen.
Das Bier enthält allerdings eine nicht unbeträchtliche Menge
Kohlehydrate, P21 soviel wie eine Semmel. Aber es ist zu teuer, als
daß das Bier in die Reihe der Nahrungsmittel gezählt werden könnte.
Ein übermäßiger Biergenuß beeinträchtigt die Ernährung in hohem Grade,
weil er die Geldmittel zur Beschaffung von Nahrungsmitteln verkürzt.
Aber immerhin vermag ein ermüdeter Arbeiter durch ein Glas Bier seine
Leistungsfähigkeit vorübergehend wieder herzustellen.
(Nach Dr. Böhm u. Dr. Ranke.)
26. Wom Kochen.
Unter den verschiedenen Lebensgenüssen, welche sich der Scharfsinn
des Menschen zu bereiten weiß, steht eine gute Mahlzeit gewöhnlich
obenan. Schon das Zartgefühl muß die Versorgerin der Küche antreiben,
daraus bedacht zu sein, daß es dem lieben Vater, dem thätigen Bruder
oder Gatten, wenn sie sich zu Tische setzen, „recht schmecken" möge; es
kommt dies auch der ganzen Hauswirtschaft zugute, indem die Männer,
einer gediegenen häuslichen Küche gewiß, nicht verleitet werden, sich in
Gasthäusern zu verschaffen, was sie zuhause entbehren müssen.
3«
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17. Die Kinder zu Hameln.
27
Bunting soll geheissen haben und gab sich für einen Rattenfänger aus,
indem er versprach, gegen ein gewisses Geld die Stadt von allen Mäusen
und Ratten zu befreien. Die Bürger wurden mit ihm einig und ver-
sicherten ihm einen bestimmten Lohn. Der Rattenfänger zog demnach
ein Pfeifchen heraus und pfiff; da kamen alsobald die Ratten und
Mäuse aus allen Häusern hervorgekrochen und sammelten sich um ihn
herum. Als er nun meinte, es wäre keine mehr zurück, ging er hinaus,
und der ganze Haufe folgte ihm, und so führte er sie an die Weser;
dort schürzte er seine Kleider und trat in das Wasser, worauf ihm alle
Tiere folgten und hineinstürzend ertranken.
Nachdem die Bürger aber von ihrer Plage befreit waren, reute sie
der versprochene Lohn, und sie verweigerten ihn dem Manne unter
allerlei Ausflüchten, so dass er zornig und erbittert wegging. Am 26. Juni,
auf Johannis und Pauli Tag, morgens früh sieben Uhr, nach andern zu
Mittag, erschien er wieder, jetzt in Gestalt eines Jägers, erschrecklichen
Angesichts, mit einem roten, wunderlichen Hut, und liess seine Pfeife in
den Gassen hören.
Alsbald kamen diesmal nicht Ratten und Mäuse, sondern Kinder,
Knaben und Mägdlein vom vierten Jahr an, in grosser Anzahl gelaufen,
worunter auch die schon erwachsene Tochter des Bürgermeisters war.
Der ganze Schwarm folgte ihm nach, und er führte sie hinaus in einen
Berg, wo er mit ihnen verschwand. Dies hatte ein Kindermädchen ge-
sehen , welches mit einem Kind auf dem Arme von fern nachgezogen
war, darnach umkehrte und das Gerücht in die Stadt brachte. Die Eltern
liefen haufenweise vor alle Thore und suchten mit betrübtem Herzen
ihre Kinder; die Mütter erhoben ein jämmerliches Schreien und Weinen.
Von Stund an wurden Boten zu Wasser und Land an alle Orte herum-
geschickt, zu erkundigen, ob man die Kinder oder auch nur etliche
gesehen hätte, aber alles vergeblich. Es waren im ganzen hundertund-
dreißig verloren. Zwei sollen, wie einige sagen, sich verspätet haben und
zurückgekommen sein, wovon aber das eine blind, das andere stumm
gewesen sei, also dass das blinde den Ort nicht hat zeigen können, aber
wohl erzählen, wie sie dem Spielmanne gefolgt wären, das stumme aber
den Ort gewiesen, ob es gleich nichts gehört. Ein Knäblein war im
Hemde mitgelaufen und kehrte um, seinen Rock zu holen, wodurch
es dem Unglück entgangen ist; denn als es zurückkam, waren die
andern schon in der Grube eines Hügels, die noch gezeigt wird, ver-
schwunden.
Die Strasse, wodurch die Kinder zum Thor hinausgegangen sind,
hiess noch in der Mitte des 18. Jahrhunderts (wohl noch heute) die
bunge-lose (trommel-, tonlose, stille), weil kein Tanz darin geschehen,
noch Saitenspiel durfte gerührt werden. Ja, wenn eine Braut mit Musik
zur Kirche gebracht ward, mussten die Spielleute über die Gasse hin
stillschweigen. Der Berg bei Hameln, wo die Kinder verschwanden,
heisst der Poppenberg, wo links und rechts zwei Steine in Kreuzform
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62
39. Das Küchengeschirr.
Glasscherben und zerbrochene Flaschen kommen wieder in die Glas-
fabrik, werden von neuem geschmolzen und zu Geschirren geformt.
Nagelstückchen und alte Stahlschnitzel aus Nadelfabriken geben das
Material zu den besten Büchsenläufen, und alte Blechgeschirre und
Eisenstücke kehren teils zu den Schmelzhütten zurück, teils verwandelt sie
der Chemiker. Es ist möglich, daß die Tinte, mit der wir schreiben,
früher ein Teil eines eisernen Faßreifens war, sowie die beste Buch-
druckerschwärze, welche Kupferstiche oder Buchstaben schwärzt, ans ver-
brannten Weinkernen und Traubenhülsen erhalten wird. Abschnitzel von
verzinntem Eisenblech werden wieder in Zinn oder Eisen zerlegt; alle
Metallabsälle lassen sich verwerten; der Goldschläger verkauft sogar seine
alten, abgetragenen Arbeitskleider, und zwar nicht selten so teuer, daß
er sich für den Erlös neue kaufen kann. Sie werden dann verbrannt,
und die Goldteilchen, die sich in ihnen angehäuft haben, gesammelt.
(Hermann Wagner.)
39. Das Küchengeschirr.
Einen Hauptteil der Familienwohnung bildet die Küche und einen
Hauptteil der Hauseinrichtung das Küchengeschirr. Die am häufig-
sten in Gebrauch kommenden Koch- und Bratgeräte sind irdene. Da
der Thon nicht stark gebrannt wird, indem er wegen seines Gehaltes an
Eisen und Kalk in heftiger Hitze sich verglasen, d. h. schmelzen würde,
so ist die Thonmasse immer sehr porös und würde die Flüssigkeiten durch
die Poren verdunsten oder selbst in Tröpfchen sichtbar hindurchziehen
lassen, wenn sie nicht ans der Oberfläche glasiert, d. h. mit einer Glas-
masse überzogen wäre. Diese Glasur ist aber meist eine sogenannte
Bleiglasur, nämlich aus Bleiglütte und Lehm gemacht, die sich in der
Hitze verglast. Ist diese Glasur gut und mit gehöriger Aufmerksamkeit
eingebrannt, so ist dieselbe völlig unschädlich, nicht aber, wenn sie schlecht
eingebrannt oder wenn der Glasurmasse zu viel Bleiglütte zugesetzt wurde.
Dann bleibt ein Teil des Bleioxydnts unverglast, und heißer Essig ver-
mag dasselbe teilweise aufzulösen und die im Topse befindlichen Speisen
zu vergiften. Beim Einkäufe von irdenem Geschirr hat man zunächst
daraus zu sehen, daß es eine gleichmäßige, nicht rissige Glasur habe.-
Besseres Geschirr ist nicht nur inwendig, sondern auch auswendig glasiert.
Ist der zum Geschirr verwendete Thon weiß und die Glasur ganz
dünn, und liegt sie nur wie ein Firnis darüber, so daß die weiße Farbe
vom durchscheinenden Thone kommt, dann heißt diese Art des irdenen
Geschirrs Halbporzellan, Fayence oder Steingut. Aus Steingut be-
stehen alle unechten, billigen, dem Porzellan ähnlichen Teller, Kaffee-,
Thee- und Milchtöpfe, Tassen und Näpfe. Die Hausfrau darf sich nicht
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106
65. Die Soldatenmutter.
selbst, wenn so sich der eine auf ihre Schultern stützte, der andere ihr zur
Seite ging und sie selbst dem Dritten unter die Arme griff. Ganze sechszehn
Monate lang besuchte sie täglich einen spanischen Offizier, der an einem un-
heilbaren und schmerzlichen Beinfraß litt, und pflegte ihn mit mütterlicher
Sorgfalt. — Ost trat der Fall ein, daß die emsige und sorgfältige Frau
genötigt war, zum General zu gehen, welcher in Besan§on kommandierte, um
ihm ihr Anliegen vorzutragen. Einst sprach er zu ihr lächelnd: „Schwester
Martha, ihr werdet wohl sehr betrübt sein, wenn eure guten Freunde, die
Spanier, euch verlassen werden." — „Ja," antwortete sie, „aber dann
kommen meine guten Freunde, die Engländer. Alle Unglücklichen sind meine
Freunde." — Der Befehl kam wirklich, daß die gefangenen Spanier von
Besan^on weggebracht werden sollten, und es war schwer zu entscheiden, wer
betrübter darüber war, Schwester Martha oder ihre Pflegesöhne. Sie bot
alle Kräfte auf, dafür zu sorgen, daß die Armen auf ihrem Marsche mitten
im Winter doch wenigstens vor Kälte geschützt würden. Deshalb sammelte
sie Almosen in der ganzen Stadt, und die Beiträge, 'welche die barmherzige
Schwester erhielt, waren so groß, daß alle Gefangenen vor ihrer Abreise
hinlänglich mit Kleidungsstücken versehen werden konnten. — Um ihrer liebe-
vollen Pflegemutter doch einigermaßen ihre Dankbarkeit zu beweisen, beschlossen
die Gefangenen, die einzige Kostbarkeit, die sie besaßen, ihr zu verehren —
ein silbernes Kruzifix, worauf sie die Worte in ihrer Landessprache eingraben
ließen: „An Mutter Martha, unsere Wohlthäterin." Mutter Martha wollte
aber das Geschenk durchaus nicht annehmen; doch zuletzt gab sie den Bitten
ihrer dankbaren Pflegekinder nach, als diese ausriefen: „Mutter Martha wird
ja das Bild unseres Heilandes nicht von sich weisen!"
Die Vorhersage der frommen Schwester Martha ging in Erfüllung. Es
kamen zwar nicht die Brüder Engländer, aber dafür die Brüder Russen,
Österreicher und Preußen und Italiener und Deutsche aus allen Provinzen;
und zuletzt, als sich der Krieg über Frankreich selbst hinwälzte, auch die
Brüder Franzosen. Und Schwester Martha nahm sie alle, die nach Besan^on
kamen, als ihre Gäste auf und speiste die Hungrigen und labte die Durstigen
und kleidete die Nackten und besuchte die Gefangenen und pflegte die Kranken
und begrub die Toten. Man hat berechnet, daß sie in weniger als elf
Monaten an mehr als dreißigtausend französischen oder fremden Gefangenen
Mutterstelle vertreten, und daß sie deren auf viertausend Mann zu gleicher
Zeit verpflegt hat. Darum wurde auch ihr Name in allen Sprachen mit'
Segen genannt, und von allen Zungen wurde sie die „Soldatenmutter"'
gepriesen.
Das alles erfuhren dann endlich auch die Fürsten — Kaiser und Könige,
und wie die Schwester Martha in Besauen mit christlicher Liebe und Sorg-
falt so viele Tausende genährt und gepflegt habe, ohne Unterschied des Volkes
und der Religion als eine wahrhafte Samaritanerin. Darum, und um die
christliche Tugend an ihr zu ehren, wetteiferten sie gleichsam, wie sie die
Schwester Martha auszeichnen sollten. Der König von Frankreich, der nun
wieder den Thron seiner Väter bestiegen hatte, gab ihr das St. Ludwigskreuz
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114
3. Die gute Mutter.
eine Nulter in der Schweiz nach ihrem Sohne, der bei der Armee
war und von dem sie lange nichts erfahren hatte, und ihr Herz
hatte keine Ruhe mehr. »Er muss bei der Rheinarmee sein«,
sagte sie, »und der liebe Gott, der ihn mir gegeben hat, wird
mich zu ihm fuhren.« — Und als sie auf dem Postwagen zum
St. Johannisthor in Basel heraus und an den Rehhäusern vorbei
ins Sundgau gekommen war, treuherzig und redselig, wie alle
Gemüter sind, die Teilnahme und Hoffnung bedürfen, und die
Schweizer ohnedem, erzählte sie ihren Reisegefährten bald, was
sie auf den Weg getrieben hatte. »Find’ ich ihn in Colmar nicht,
so geh’ ich nach Strafsburg ; find’ ich ihn in Strafsburg nicht, so
geh’ ich nach Mainz.« — Die andern fragten dies und jenes und
einer fragte sie: »Was ist denn Euer Sohn bei der Armee? Major?«
— Da wurde sie fast verschämt in ihrem Innern; denn sie dachte,
er könne wohl Major sein oder so etwas, weil er immer brav
war; aber sie wusste es nicht. »Wenn ich ihn nur finde«, sagte
sie, »so darf er auch etwas weniger sein ; denn er ist mein Sohn.«
— Zwei Stunden jenseits Colmar aber, als schon die Sonne sich
zu den Elsässer Bergen neigte, die Hirten ihr Vieh heimtrieben,
die Kamine rauchten in den Dörfern, die Soldaten in dem Lager
nicht weit von der Strasse standen, haufenweise mit dem Gewehre
bei Fuss, und die Generale und Obersten vor dem Lager beisammen-
standen und miteinander sprachen, stand auch eine junge, weiss
gekleidete Frau von feiner Bildung dabei und wiegte auf ihren
Armen ein Kind. Die Frau im Postwagen sagte: »Das ist auch
keine gemeine Frau, die so nahe bei den Herren steht. Was
gilt’s? der, welcher mit ihr spricht, ist ihr Mann!« — Der ge-
neigte Leser fängt allbereits an, etwas zu merken; aber die Frau
im Postwagen merkte noch nichts. Ihr Mutterherz hatte noch
keine Ahnung, so nahe sie auch am Rechten vorbeigefahren war,
sondern bis nach Colmar hinein war sie still und sprach nichts.
In der Stadt im Wirtshause, wo schon eine Gesellschaft an der
Mahlzeit safs und die Reisegefährten sich auch setzten, wo noch
Platz war, da war ihr Herz erst recht zwischen Bangigkeit und
Hoffnung eingeengt, dass sie jetzt etwas von ihrem Sohne er-
fahren könnte, ob ihn niemand kenne, und ob er noch lebe und
ob er etwas sei, und hatte doch den Mut fast nicht, zu fragen.
Denn es gehört Herz dazu, eine Frage zu thun, wo man das Ja
so gerne hören möchte und das Nein doch möglich ist. Auch
meinte sie, jedermann merke es, dass es ihr Sohn sei, nach dem
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16. Der beste Empfehlungsbrief. 17. Veronika Hakmann.
131
Sie trägt und bringt nicht neue Mär',
Geht still in ihrer Arbeit her,
Ist treu und eines frohen Mut's
Und thut den Kindern immer Gnt's.
Sie ist stets munter, hurtig, frisch,
Vollbringet ihre Geschäfte risch,
Und hült's der Frauen wohl zu gut,
Wenn sie um Schaden reden thut.
Sie hat dazu eine feine Gebärd',
Hält alles sauber an dem Herd,
Verwahrt das Feuer und das Licht
Und schlummert in der Kirche nicht.
16. Z>er öeste Empfehlungsbrief.
Auf die Anzeige eines Kaufmannes, durch welche ein Lehrjunge
gesucht wurde, meldeten sich 50 Knaben. Der Kaufmann wählte sehr
rasch einen unter denselben und verabschiedete die anderen. „Ich möchte
wohl wissen", sagte ein Freund, „warum Du gerade diesen Knaben, der
doch keinen einzigen Empfehlungsbrief hatte, bevorzugtest." — „Du
irrst", lautete die Antwort. „Dieser Knabe hatte viele Empfehlungen.
Er putzte seine Füße ab, ehe er ins Zimmer trat, und machte die Thür
zu; er ist daher sorgfältig. Er gab ohne Besinnen seinen Stuhl jenem
alten lahmen Manne, was seine Herzensgüte und Aufmerksamkeit zeigt.
Er nahm seine Mütze ab, ehe er hereinkam, und antwortete aus meine
Fragen schnell und sicher; er ist also höflich und hat Anstand. Er hob
das Buch auf, welches ich absichtlich auf den Boden gelegt hatte, während
alle übrigen dasselbe zur Seite stießen oder darüber stolperten. Er
wartete ruhig und drängte sich nicht heran, — ein gutes Zeugnis für
sein anständiges Benehmen. Ich bemerkte ferner, daß sein Rock gut
ausgebürstet und seine Hände und sein Gesicht rein waren. Nennst du
dies alles keinen Empfehlungsbrief? Ich gebe mehr darauf, was ich von
einem Menschen weiß, nachdem ich ihn zehn Minuten lang gesehen, als
auf das, was in schön klingenden Empfehlungsbriefen geschrieben steht."
Magdeburger Zeitung.
17. Weronika Kakmann.
Im Jahre 1744, als der Kurfürst Karl Theodor in der Pfalz die
Regierung angetreten hatte, trat in Mannheim Veronika Hakmann als
Magd in das Haus eines dortigen Bürgers und trug sein Söhnlein
auf den Armen herum und hütete sein, und als das Söhnlein zum
Manne herangewachsen und selber wieder Vater geworden war, all-
bereits nach dem Hubertsburger Frieden, da war sie noch immer im
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Extrahierte Personennamen: Veronika_Hakmann Weronika_Kakmann Karl_Theodor Karl Veronika_Hakmann
134
18. Dorothea.
setzen und spinnen; und damit ihre Spule blutig werde, stach sie sich
in den Finger und stiefs die Hand in die Dornenhecke. Dann warf
sie die Spule in den Brunnen und sprang selber hinein. Sie kam wie
die andere auf die schöne Wiese und ging auf demselben Pfade weiter.
Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder: „Ach, zieh
mich ’raus, zieh mich ’raus, sonst verbrenn’ ich; ich bin schon längst
ausgebacken!“ Die Faule aber antwortete: „Da hätt’ ich Lust, mich
schmutzig zu machen; bleib sitzen, bis du schwarz wirst!“ und ging
fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief; „Ach, schüttel mich,
schüttel mich; wir Äpfel sind alle miteinander reif!“ Sie antwortete
aber: „Du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf
fallen,“ und ging weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam,
fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren grossen Zähnen schon
gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tage that
sie sich Gewalt an, war fleifsig und folgte der Frau Holle, wenn sie
ihr etwas sagte; denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken
würde; am zweiten Tage aber fing sie schon an zu faulenzen, am
dritten noch mehr; da wollte sie morgens gar nicht aufstehen. Sie
machte auch der Frau Holle das Bett nicht, wie sich’s gebührte, und
schüttelte es nicht, dass die Federn aufflogen. Das ward die Frau
Holle bald müde und sagte ihr den Dienst auf. Das war die Faule
wohl zufrieden und meinte, nun würde der Goldregen kommen. Die
Frau Holle führte sie auch zu dem Thore. Als sie aber darunter
stand, ward statt des Goldes ein grosser Kessel mit Pech ausgeschüttet.
„Das ist zur Belohnung deiner Dienste,“ sagte die Frau Holle und schloss
das Thor zu. Da kam die Faule heim und war ganz mit Pech bedeckt,
und der Hahn auf dem Brunnen, als er sie sah, rief :
„Kikeriki,
Unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie!“
Das Pech blieb aber an ihr hängen und wollte, so lange sie lebte,
nicht abgehen. Grimm.
19. Dorothea.
Wie der wandernde Mann, der vor dem Sinken der Sonne
Sie noch einmal ins Auge, die schnellverschwindende, faßte,
Dann im dunkeln Gebüsch und an der Seite des Felsens
Schweden siehet ihr Bild; wohin er die Blicke nur wendet,
Eilet es vor und glänzt und schwankt in herrlichen Farben:
So bewegte vor Hermann die liebliche Bildung des Mädchens
Sanft sich vorbei und schien dem Pfad ins Getreide zu folgen.
Aber er fuhr aus dem staunenden Traum auf, wendete langsam
Nach dem Dorfe sich zu und staunte wieder; denn wieder
Kam ihm die hohe Gestalt des herrlichen Mädchens entgegen.
Fest betrachtet' er sie; es war kein Scheinbild, sie war es
Selber. Den größeren Krug und einen kleinern am Henkel
Tragend in jeglicher Hand, so schritt sie geschäftig zum Brunnen,
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Extrahierte Personennamen: Dorothea Holle Grimm Dorothea Hermann
19. Dorothea.
137
Wird, und die Stunden der Nacht ihr sind wie die Stunden des Tages,
Daß ihr niemals die Arbeit zu kleiu und die Nadel zu fein dünkt.
Also sprach sie und war mit ihrem stillen Begleiter
Durch den Garten gekommen bis an die Tenne der Scheune,
Wo die Wöchnerin lag, die sie froh mit den Töchtern verlassen,
Jenen geretteten Mädchen, den schönen Bildern der Unschuld.
Beide traten hinein: und von der anderen Seite
Trat, ein Kind an jeglicher Hand, der Richter zugleich ein.
Diese waren bisher der jammernden Mutter verloren;
Aber gefunden hatte sie nun int Gewimmel der Alte.
Und sie sprangen mit Lust, die liebe Mutter zu grüßen,
Sich des Bruders zu freu'n, des unbekannten Gespielen!
Aus Dorotheen sprangen sie daun und grüßten sie freundlich,
Brot verlangend und Obst, vor allem aber zu trinken.
Und sie reichte das Wasser herum. Da tranken die Kinder,
Und die Wöchnerin trank mit den Töchtern; so trank auch der Richter.
Alle waren geletzt und lobten das herrliche Wasser,
Säuerlich war's und erquicklich, gesund zu trinken den Menschen.
Da versetzte das Mädchen mit ernsten Blicken und sagte:
Freunde, dieses ist wohl das letztemal, daß ich den Krug euch
Führe zum Munde, daß ich die Lippen mit Wasser euch netze:
Aber wenn euch fortan am heißen Tage der Trunk labt,
Wenn ihr im Schatten der Ruh' und der reinen Quellen genießet,
Dann gedenket auch mein und meines freundlichen Dienstes,
Den ich aus Liebe mehr als aus Verwandtschaft geleistet.
Was ihr mir Gutes erzeigt, erkenn' icki durchs künftige Leben.
Ungern lass' ich euch zwar; doch jeder ist diesmal dem andern
Mehr zur Last als zum Trost, und alle müssen wir endlich
Uns im fremden Lande zerstreu'n, wenn die Rückkehr versagt ist.
Seht, hier steht der Jüngling, dem wir die Gaben verdanken,
Diese Hülle des Äinds und jene willkommene Speise.
Dieser kommt und wirbt, in seinem Haus mich zu sehen,
Daß ich diene daselbst den reichen trefflichen Eltern;
Uud ich schlag' es nicht ab; denn überall dienet das Mädchen,
Und ihr wäre zur Last, bedient im Hause zu ruhen.
Also folg' ich ihm gern; er scheint ein verständiger Jüngling,
Uud so werden die Eltern es sein, wie es Reichen geziemet.
Darum lebet nun wohl, geliebte Freundin, und freuet
Euch des lebendigen Säuglings, der schon so gesund Euch anblickt.
Drücket Ihr ihn an die Brust in diesen farbigen Wickeln,
O, so gedenket des Jünglings, des guten, der sie uns reichte,
Und der künftig auch mich, die Eure, nähret und kleidet.
Und Ihr, trefflicher Mann, so sprach sie gewendet zum Richter,
Habet Dank, daß Ihr Vater mir war't in mancherlei Fällen.
Uud sie kniete darauf zur guten Wöchnerin nieder,
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25. Anstandsregeln.
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an der Seite! Es ist nicht schicklich, das letzte Bröckchen Brot, den
letzten Rest der Speise zu verschlingen. Ist ein zweites Gericht zu
erwarten und dir wünschenswert, so laß Messer und Gabel nicht auf
dem Teller liegen! Knochen, Fett u. dgl. dürfen nicht auf den Teller
gespuckt, sondern müssen unbemerkt mittels der Gabel, die man zu diesem
Zwecke an die Lippen hält, auf den Teller gelegt werden. Suche nie
über den Teller eines andern weg einen Gegenstand zu erreichen! Es
schickt sich nicht, mit dem Tellertnch über das Gesicht zu fahren, mit der
Gabel, dem Becher oder einem andern Gegenstände zu spielen. Es
gehört sich nicht, einer Person den Rücken zuzuwenden, um mit einer
andern zu sprechen oder über die zunächst sitzende Person wegzureden.
Sprich nie mit vollem Munde! Vermeide, Gabel oder Messer fallen
zu lassen. Ist es geschehen, so ersuche die auftragende Person ruhig
um ein neues Besteck! Lege dich nicht faul in den Stuhl zurück und
laß die Ellbogen nicht aus dem Tische ruhen! Den Zahnstocher gebrauche
nur, wenn es unumgänglich notwendig ist und bedecke in diesem Falle
den Mund mit der Hand! Es schickt sich nicht, einem Gaste Speisen
aufzuzwingen. Stehe nicht eher vom Tische aus, als bis das Mahl
vorüber ist, und die Wirtin das Zeichen dazu gab! Nach beendeter
Mahlzeit versäume nicht, dich dankend von dem Gastgeber zu verab-
schieden ! Vergiß nicht, wo du geladen warst, nach einigen Tagen einen
Dankbesuch zu machen!
b) Bei Besuchen.
Sei weder kalt und abstoßend, noch überschwenglich freundlich gegen
andere! Ein herzliches, aber doch ruhiges Betragen ist das beste. Es
schickt sich nicht, bei Besuchen Möbel, Bilder oder andere Gegenstände
und vor allen Dingen anwesende Persönlichkeiten anzustarren. ' Sitze
ruhig und gerade auf deinem Stuhl; gebrauche die Lehne bei kurzen
Besuchen gar nicht, bei längerer Unterhaltung erst, wenn Ermüdung
eintritt; strecke dich auf dem Sofa oder dem Schaukelstuhl uicht aus;
schlage die Beine nicht über einander; bewege die Füße nicht fortwährend
und spiele nicht mit Quasten, Knöpfen und anderen Gegenständen! Sprich
nicht zu laut und dränge dich nicht vor, indem du die Unterhaltung zu
führen suchst! Rede nicht mit lebhaften Geberden! Es schickt sich nicht,
andere bei den Armen und Händen zu fassen, während man mit ihnen
spricht, oder sie anzustoßen, um ihre Aufmerksamkeit zu erregen, mit den
Füßen zu trommeln oder mit den Fingern aus Stühlen, Tischen und
Fensterscheiben Lärm zu schlagen, eine Melodie vor sich hin zu summen
oder, während man jemand zuhört, einen Stuhl oder andern Gegenstand
herumzudrehen. Eine große Unsitte ist das Flüstern mit benachbarten
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